Biometrische SuchmaschineLondoner Polizei soll tausendfach PimEyes aufgerufen haben

Auch in London darf die Polizei die umstrittene Gesichter-Suchmaschine PimEyes nicht nutzen. Dennoch sollen Beamt:innen die Seite mehr als 2.000 Mal aufgerufen haben. Jetzt hat die Behörde den Zugriff über Dienstgeräte gesperrt.

Beamter von hinten, auf dem Rücken der Schriftzug "Metropolitan Police"
Die Metropolitan Police: nicht nur auf den Straßen Londons unterwegs, sondern auch auf den Seiten von PimEyes. – Alle Rechte vorbehalten Imago / Mike Egerton

Die Londoner Polizei soll mehr als 2.000 Mal die Seite der Suchmaschine PimEyes aufgerufen haben. Das berichtet das britische Nachrichtenmedium i-News und verweist auf Dokumente, die es mit Hilfe einer Informationsfreiheitsanfrage erhalten hat. Demnach hätten Dienstcomputer der Behörde in den ersten drei Monaten des Jahres 2.337 Mal die Seite von PimEyes besucht.

Mit der Suchmaschine kann man anhand eines Fotos im offenen Internet nach weiteren Bildern dieser Person suchen. Sie ist hoch umstritten, weil die Suche auf biometrischen Daten basiert. Dafür werden offen im Internet verfügbare Fotos automatisch ausgewertet – ohne eine Zustimmung der Betroffenen einzuholen. Zugleich ist PimEyes öffentlich zugänglich, sodass damit jede beliebige Person andere anhand eines Schnappschusses identifizieren kann. Denn die Suchergebnisse von PimEyes sind Links zu den Fundorten im Netz, die häufig entscheidende Hinweise auf eine Person liefern.

Die Europäische Union hat deswegen in ihrer KI-Verordnung vor kurzem genau das verboten, was PimEyes überhaupt erst möglich macht: massenhaft Gesichtsbilder aus dem offenen Internet zu sammeln und zum Aufbau einer Datenbank biometrisch auszuwerten. PimEyes könnten in der EU damit hohe Strafen drohen, sobald die Regeln umgesetzt werden.

Londoner Polizei redet Zugriffe klein

Die Londoner Polizei setzt bereits mehrere Formen von Gesichtserkennung ein, etwa um Aufnahmen aus öffentlichen Kameras in Echtzeit auszuwerten oder rückwirkend mit ihren Datenbanken abzugleichen.

Allerdings müssen Beamt:innen dafür den offiziellen Weg beschreiten: Gesucht werden darf nur nach Personen auf Fahndungslisten und auch nur in der nationalen Polizeidatenbank (Police National Database, PND). Dabei handelt es sich um eine zentrale Datenbank mit Bildern von Straftäter:innen, die von Behörden im ganzen Land hochgeladen und vom Innenministerium verwaltet werden.

In welcher Welt wollen wir leben?

Mit PimEyes könnten die Beamt:innen hingegen im offenen Internet nach Zielpersonen suchen. Und das, ohne dass diese Suchen von Vorgesetzten abgesegnet werden müssten.

Ein Sprecher der Londoner Polizei sagte gegenüber i-News, die Aufrufe der Website würden noch nicht heißen, dass Beamt:innen die Gesichtersuche auch tatsächlich eingesetzt hätten. „Es gibt eine Reihe von Gründen, warum ein Beamter nachforschen könnte, was PimEyes ist, insbesondere im Lichte der jüngsten Presseberichte.“ Nachdem die Zugriffe bekannt geworden seien, habe man „die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen verschärft und den Zugang zu dieser Website auf Met-Geräten gesperrt“. Offiziell soll die Suche mit PimEyes ohnehin nicht erlaubt gewesen sein.

PimEyes: Bilder entfernen lassen gegen Zahlung

PimEyes wurde ursprünglich von zwei polnischen Studierenden gegründet. Nach kritischen Berichten unter anderem von netzpolitik.org verlagerte die Firma ihren Sitz zunächst auf die Seychellen und antwortete nicht mehr auf Fragen. Auch Datenschutzbehörden wurden aktiv.

Seit 2022 gehört PimEyes nun einem Sicherheitsforscher aus Georgien: Georgi Gobronidze. Er bemüht sich, das Image des Unternehmens zu wandeln, und vermarktet PimEyes als Hilfe zur digitalen Selbstverteidigung statt als Stalking-Werkzeug. Frauen sollen damit Bilder aus dem Netz entfernen lassen können, die ohne ihr Einverständnis hochgeladen wurden. Für diesen „Premium-Service“ nimmt PimEyes eine monatliche Gebühr.

„Der Mensch ist der Stalker, nicht die Suchmaschine“

In Deutschland war die Suchmaschine zuletzt in den Schlagzeilen, weil Journalist:innen mit ihrer Hilfe eine Spur zur seit Jahrzehnten gesuchten ehemaligen RAF-Terroristin Daniela Klette entdeckt hatten. Polizeigewerkschaften forderten daraufhin, auch die Polizei solle „solch hilfreiche Software“ einsetzen dürfen und monierten, „Polizeibehörden in anderen EU-Nachbarstaaten“ seien bereits weiter.

Allerdings nutzen auch deutsche Polizeibehörden bereits seit langem Gesichtserkennung, etwa das „Gesichterkennungssystem“ des BKA, das Bilder mit Aufnahmen bekannter Straftäter:innen in der eigenen Datenbank INPOL abgleicht. Dass die Polizei hingegen mit Suchmaschinen wie PimEyes wahllos nach Gesichtern im Internet sucht, ist laut der Einschätzung von Fachleuten nicht mit Grundrechten vereinbar. Dabei würden massenhaft Unverdächtige ins Visier geraten.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

13 Ergänzungen

  1. „Dabei würden massenhaft Unverdächtige ins Visier geraten.“

    Hat die Polizei bzw die Strafverfolgungsbehörden das jemals interessiert bzw interessiert sie das heute?
    Wohl eher nein.

  2. Wäre es nicht möglich, als Akt digitaler Selbstverteidigung große Mengen ki-generierte Bilder zu erzeugen, die zwar nicht aussehen wie ich, aber die gleichen biometrischen Marker haben und die überall zu verteilen? Dann würde die Suchmaschine in dem ganzen Datenmüll zumindest Schwierigkeiten haben, meine echten Spuren zu finden.

    1. Warum willst Du das?
      Du hast doch nichts zu verbergen?

      Vor ein paar Jahren wurden Flüchtlinge mit Ausweisen versehen, deren Bilder mittels morphing auf 2 Personen passten.
      So konnte eine Person mit dem Ausweis einreisen und eine andere damit ausreisen.

      In erstaunlich kurzer Zeit durften die Lichtbilder nur noch von zugelassen Fotografen/Automaten erstellt und direkt elektronisch übermittelte werden.

      1. Die unkontrollierte Erstellung von Ausweisbildern war schlicht eine Verwundbarkeit des Prozesses, das hätte man von Anfang an nicht zulassen dürfen: man vertraut keinen externen Eingaben.

        Wie leider üblich dachte die Verwaltung da in Technologiebegriffen des letzten Jahrhunderts und hatte die mittlerweile gegebene Bildbearbeitung nicht berücksichtigt. Ein vertrauenswürdiges Dokument kann nur aus vertrauenswürdigen oder verifizierten Eingaben erstellt werden.

        Man hätte die Ämter übrigens auch mit Geräten zum biometrischen Vergleich zwischen Person und vorgelegtem Photo ausstatten können, um das Photo zu verifizieren. Das hätte im Schnitt wesentlich mehr Aufwand bedeutet, dafür hätte man sofort wegen versuchter Täuschung Zusatzgebühren kassieren können 8)

    2. Selbst wenn die Erkennung so eingeschraenkt waere und Du sie so gut kennen wuerdest, um das zu erstellen zu koennen, waere es nach dem naechsten update hinfaellig. Und Du dann garantiert auf der watchlist 8)

    3. „die zwar nicht aussehen wie ich, aber die gleichen biometrischen Marker haben“

      ist der Widerspruch der darin liegt dir beim Schreiben nicht aufgefallen? „wie du aussehen“ = „biometrische Marker“

      1. Kein Widerspruch.

        Das System abstrahiert aus dem Bild die biometrischen Marker als Vergleichsbasis, sozusagen ein hash. Menschen erkennen Personen auf Bildern ohne detaillierte Überlegungen eher über den Gesamteindruck.

        Wenn man das System gut genug kennt, kann man uU ein Bild konstruieren, das für System und Mensch unterschiedliche Erkennungsergebnisse liefert.

  3. @Rolf:
    Ja, kann man heute schon mit dem Tool Fawks: https://github.com/Shawn-Shan/fawkes (leider etwas alt)
    Oder auch einfach manuell etwas nachbearbeiten, z.B. Iris bearbeiten, Augenabstände verlängern mit Bildbearbeitung.
    Wichtig auch, möglichst falsche Referenzen setzen z.B. in Ausweisdokumenten.

    1. Zum einen beschreibst Du das Gegenteil von dem, was Rolf gefragt hat.

      Zum anderen ist’s total cool, einen Ausweis zu haben, der bei einer Kontrolle nicht zur eigenen Person passt: da ist Freude garantiert 8)

  4. Cool. Geopolitisch heiß aber irgendwie cool. Also wonach sucht die Polizei gerade mal so, in Land X,Y,Z? Ridiculous…

      1. So verkürzt muss der gar nicht sein: Hinflug, Einreiseverweigerung wegen eines gültigen aber nicht zur Person passenden Ausweises, Ausweis wird uU eingezogen, jedenfalls kein Rückflug ohne geklärte Identität.

        Viel Spaß.

Wir freuen uns auf Deine Anmerkungen, Fragen, Korrekturen und inhaltlichen Ergänzungen zum Artikel. Bitte keine reinen Meinungsbeiträge! Unsere Regeln zur Veröffentlichung von Ergänzungen findest Du unter netzpolitik.org/kommentare. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.